So wie Rico geht es vielen in der beruflichen Bildung. Das Verhältnis zwischen der Zeit, die für die Betreuung der Teilnehmer und der Zeit, die für die Dokumentation aufgewendet werden muss, hat sich in den letzten Jahren durch immer mehr Vorgaben seitens der Bundesagentur für Arbeit (BA) zu Ungunsten des Teilnehmers verschoben. Das bedeutet, dass die pädagogische Arbeit immer mehr in den Hintergrund rückt. Der Bildungsbegleiter wird zu einer Dokumentations- und Verwaltungskraft, die sich die Zeit für die individuelle Förderung der Teilnehmer mühsam zwischen der Erfüllung der Vorgaben zusammensuchen muss. Wir von ergovia haben unsere Bildungsträger gefragt, wie sie mit dieser Situation umgehen und trotz der Beanspruchung in ihrer Arbeit nicht den Überblick verlieren.
Für Marcel G. aus Bayern stellt sich das Problem im Alltag so dar: „Für mich steht der Erfolg meines Teilnehmers im Vordergrund. Deshalb verbringe ich auch den meisten Teil meiner Zeit mit der Förderplanung.“ Dabei sieht er die Dokumentation nicht nur als notwendiges Übel an, denn in vielen Teilen hilft sie im Maßnahmeverlauf sowohl ihm als auch dem Teilnehmer, z.B. bei der nachträglichen Justierung der Förderplanung. So formuliert er für sich auch seinen Anspruch ganz sportlich: „Für mich liegt die Herausforderung darin, die Dokumentation so einfach und gleichzeitig so effizient wie möglich aufzubauen. Wenn ich hier keinen Überblick schaffe, wie sollen dann meine Kollegen damit klarkommen?“
Dass Kollegen mit der eigenen Dokumentation klarkommen müssen, ist auch für Christiane F. ein wichtiges Thema: „Wir sind ein so großer Träger, da kommt es neben den üblichen Urlaubsvertretungen auch immer wieder mal zu Trainerwechseln. Da muss man sich schnell einen Überblick verschaffen, sonst gibt es Lücken in der Dokumentation.“
Jörg N. aus Schleswig-Holstein hat einen ganz anderen Blickwinkel auf das Thema: Er ist seit Jahren Administrator eines großen Bildungsträgers in Schleswig-Holstein und beobachtet ebenfalls, wie in den letzten Jahren die Anforderungen durch die BA immer weiter gestiegen sind. „Mittlerweile verbringen unsere pädagogischen Mitarbeiter ca. 25% ihrer Arbeitszeit nur mit der Dokumentation, oft sogar mit doppelter Dokumentation, weil identische Informationen an unterschiedlichen Orten gefordert sind.“ Um der ganzen Flut von Vorgaben Herr zu werden, hat er neben stepnova ein zweites System installiert, das Anleitungen, Handbücher und Formulare bereithält, die dann bei Bedarf in die eM@w-Software übernommen werden. Seine Sorge gilt aber vor allem den Prüfungen: „Hier bekommen wir durch Dokumentvorlagen, die in unserer Software standardmäßig hinterlegt sind, Sicherheit. Zusätzlich haben wir für uns Qualitätsrichtlinien entwickelt, die bei Prüfungen für Ordnung sorgen. Auch diese Richtlinien sind für alle Mitarbeiter in stepnova verfügbar“. Die größte Herausforderung in der Organisation sieht N. aber immer noch „ (...) in der Vergeßlichkeit der Mitarbeiter. Gerade bei Erinnerungen und Fristabläufen kann einen Software prima unterstützen. Aber Mitarbeiter, die nicht so PC-affin sind, haben das oft nicht im Blick.“
„Ich glaube, woran kein Träger vorbeikommt, ist, sich intern einen Leitfaden zu erstellen“, sagt Peter S. aus NRW. „Es gibt so viele Möglichkeiten zu dokumentieren und wenn sich nicht alle an einen Standard halten, endet das immer im Chaos!“ Natürlich sei es eine große zeitliche Investition herauszufinden, welche Informationen an welcher Stelle wichtig sind: „Das ist schon nervig. Aber die Alternative sind verunsicherte und gestresste Kollegen, eine mangelhafte Dokumentation und praktisch keine Möglichkeit, sich in den Unterlagen anderer zurechtzufinden.“
Es wird deutlich: Durch die steigenden Anforderungen an die Dokumentation, wird die Zeit mit den Teilnehmern immer kostbarer. Doch so identisch der Hintergrund für die zeitliche Mehrbelastung ist, so vielfältig sind doch die unterschiedlichen Ausprägungen und Lösungsansätze bei den Trägern.
Uns von ergovia würde interessieren: Wie ist die Situation bei Ihnen, bei Ihrem Träger? Handelt es sich bei den geschilderten Fällen um Ausnahmefälle oder ist die Situation bei fast jedem Träger die Regel? Wie gehen Sie mit der Situation um? Was hilft Ihnen, den Überblick zu behalten, welche Hilfsmittel würden Sie auch anderen empfehlen?
Wir freuen uns über einen regen Austausch in den Kommentaren.